Von scharfer Zurückweisung bis Beistandsversicherung: die Reaktionen auf die mutmaßlichen Raketentreffer in Polen – landeszeitung.de

Washington. Am Dienstagabend kam es in einem polnischen Dorf nahe der ukrainischen Grenze zu einer oder mehreren Explosionen bei denen zwei Menschen getötet wurden. Lokale Medien berichteten schnell von Raketeneinschlägen mutmaßlich russischer Raketen. Polen berief den nationalen Sicherheitsrat ein und gab im Anschluss auf einer Pressekonferenz bekannt, Teile der Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. Zudem prüfe die Regierung die Inanspruchnahme von Artikel 4 des Nato-Vertrags, nach dem die Mitglieder des Verteidigungsbündnisses zu sofortiger Beratung zusammenkommen müssen, weil sich ein Mitglied bedroht sieht.

Während westliche Verbündete Polen schnell die Unterstützung versicherten und gleichzeitig zur Besonnenheit aufforderten (bis alle Fakten auf dem Tisch lägen), verkündete das russische Verteidigungsministerium auf Twitter: „Polnische Massenmedien und Beamte begehen über den angeblichen Einschlag ‚russischer‘ Raketen in Przewodów eine absichtliche Provokation, um die Situation zu eskalieren.“ Es seien keine Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen worden.

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Russland hatte am Dienstag mit über 90 Raketen und Marschflugkörpern das Energiesystem der Ukraine angegriffen und schwere Schäden verursacht. Es war ukrainischen Militärangaben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruktur seit Kriegsbeginn vor gut acht Monaten.

Das US-Verteidigungsministerium prüfe Berichte über den angeblichen Einschlag von zwei russischen Raketen in Polen. Die Presseberichte seien dem Pentagon bekannt, sagte Sprecher und Brigadegeneral der US-Luftwaffe, Patrick Ryder, am Dienstag in Washington. Zum jetzigen Zeitpunkt habe das Ministerium aber keine Informationen, die diese Berichte bestätigen könnten. „Wenn wir ein Update zur Verfügung stellen können, werden wir dies tun“, sagte der Sprecher weiter.

Er machte deutlich, dass er nicht spekulieren wolle, wenn es um die Sicherheitsverpflichtungen und den Nato-Artikel 5 gehe. „Aber wir haben unmissverständlich klar gemacht, dass wir jeden Zoll des Nato-Territoriums schützen werden“, so Ryder.

Auch die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten, Adrienne Watson, teilte auf Twitter mit, dass aktuell noch keine Berichte oder Einzelheiten bestätigt werden könnten. Die USA würden mit der polnischen Regierung zusammenarbeiten, um weitere Informationen zu sammeln.

Der private polnische Radiosender Zet hatte zuvor berichtet, zwei verirrte Raketen seien am Dienstag in einem polnischen Dorf nahe der Grenze eingeschlagen. Nach unbestätigten Angaben seien zwei Menschen getötet worden. Es wäre der erste derartige Vorfall in dem seit fast neun Monaten dauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Polen, ein Nachbarland der Ukraine, ist Mitglied der EU und des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato.

Reaktionen aus der deutschen Politik

Außenministerin Annalena Baerbock schrieb bei Twitter, ihre Gedanken seien beim deutschen Nachbarn und Verbündeten Polen: „Wir beobachten die Situation genau und stehen mit unseren polnischen Freunden und Nato-Verbündeten in Kontakt.“

Bereits vor der russischen Stellungnahme schrieb FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf Twitter: „Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und damit Nato-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch ‚verhandeln‘ wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.“

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter betitelte die Meldungen über den möglichen Raketenangriff als „alarmierend“. Er warnte jedoch vor vorschnellen Schlüssen, es brauche zuerst eine vollständige Untersuchung, ob es sich um russische oder ukrainische Raketen gehandelt habe. Er betonte dennoch: „Jetzt gilt erstmal sehr klar, Polen solidarisch und mitfühlend zur Seite zu stehen.“

Baltenstaaten solidarisieren sich mit Polen

Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks äußerte sich besorgt: „Mein Beileid an unsere polnischen Waffenbrüder. Das kriminelle russische Regime hat Raketen abgefeuert, die nicht nur auf ukrainische Zivilisten abzielten, sondern sie landeten auch auf Nato-Territorium in Polen. Lettland steht voll und ganz hinter seinen polnischen Freunden und verurteilt dieses Verbrechen“, schrieb Pabriks bei Twitter.

Auch das estnische Außenministerium nannte die Nachrichten aus Polen „äußerst besorgniserregend“. Der Baltenstaat würde sich eng mit Polen und anderen Verbündeten beraten, hieß es weiter. Ähnlich wie die USA betonte auch das estnische Außenministerium. „Estland ist bereit, jeden Zentimeter des Nato-Territoriums zu verteidigen. Wir sind voll solidarisch mit unserem engen Verbündeten Polen.“

Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala sagte dem Nachbarland ebenfalls Solidarität zu. „Falls Polen bestätigt, dass Raketen auch sein Gebiet getroffen haben, handelt es sich um eine weitere Eskalation vonseiten Russlands“, schrieb der liberalkonservative Politiker am Abend bei Twitter. „Wir stehen fest hinter unserem Verbündeten in EU und Nato“, betonte der 58-Jährige.

Der belgische Premierminister Alexander De Croo verurteilte den Vorfall und versicherte Polen Solidarität: „Belgien steht zu Polen. Wir alle sind Teil der Nato-Familie, die mehr denn je vereint und gerüstet ist, um uns alle zu schützen“, schrieb er bei Twitter.

RND/dpa/jst/seb