Im Video: Brummifahrer Stefan Erdmann stoppt den Lkw eines bewusstlosen Kollegen – landeszeitung.de

Hannover. Stefan Erdmann ist ein bodenständiger Mann. Von Beruf Zimmermann, hat sich der 55-Jährige sich mit seiner Frau Simone (47) in Barsinghausen ein schönes Zuhause geschaffen. Den Innenausbau habe er selber gemacht. „Die Möbel hat ein befreundeter Tischler selbst gebaut“, sagt Simone Erdmann mit Stolz in der Stimme.

Stolz ist sie auch auf ihren Mann. Stefan Erdmann ist so etwas wie ein Held für einen Tag. Als er am Montag, 21. November, wie so häufig die A2 entlang fuhr, ahnte er nicht, dass dieser neblige und feucht-kalte Herbsttag ein besonderer Tag werden würde. Vor ihm fuhr gegen 7.50 Uhr ein sogenannter Absetzkipper, ein Lkw mit einem Container auf der Ladefläche. Der Wagen touchierte erst die Mittelschutzplanke, streifte einen Sattelzug und schlich dann die Ausfahrt Lahe in Richtung Dortmund entlang. Der Grund für diese riskanten Manöver: Der 57-jährige Fahrer hing bewusstlos über dem Steuer.

Mit mutigem Einsatz schweren Unfall verhindert

Erdmann erkannte die Gefahr sofort. „Ich habe mich geärgert, dass sich alle anderen Fahrzeuge an dem Laster vorbeimogeln,“ sagt er. Er stoppte seinen eigenen Lkw und lief über die Autobahn zu dem ohnmächtigen Kollegen. Der Absetzkipper mit Automatikgetriebe sei im Standgas etwa 10 bis 15 Stundenkilometer gefahren, schätzt Erdmann. Er stoppte das Fahrzeug.

Einem Polizeisprecher zufolge hat der 55-Jährige mit seinem mutigen Einsatz einen schweren Unfall verhindert. Die Dashcam im Lkw von Erdmann hat die Rettungstat aufgezeichnet. Seine Frau lächelt, als sie das Video sieht. Seit einer schweren Knieverletzung in der Jugend wirke der Gang ihres Mannes etwas unrund, sagt sie. Um aufzuspringen und den Laster seines Kollegen zu erreichen, habe es aber noch gereicht, erwidert er.

Stefan Erdmann ist ein ruhiger Mann. Seine Stimme hat einen angenehmen, sonoren Klang. Er wirkt mit seinem grauem Bart und dem nach innen gekehrten Blick wie jemand, der nicht viel Aufhebens um sich macht. Er packt lieber an. Erdmann hat viele Jahre Baustellen eingerichtet, sich fortgebildet, war lange Zeit auf Montage. Mit Mitte 40 hat er nochmal den Job gewechselt, weil seine Baufirma aufgelöst wurde. Jetzt fährt er für die Baufirma Reinhold Burghardt in Laatzen und hat diesen Schritt nie bereut.

Schicksalsschlag auf den Malediven

Anpacken, Verantwortung übernehmen, niemals aufgeben. Das scheint wie ein Lebensmotto des 55-Jährigen. Vor sechs Jahren hat Erdmann seinen Bruder bei einem Tauchunfall auf den Malediven verloren. Gestorben war dieser an einem unentdeckten Herzfehler. „Mein Bruder war mein bester Kumpel“, sagt Erdmann. Die Trauminsel ist aber auch der Ort des größten Glücks für die Erdmanns. Dort verbrachten sie ihre Hochzeitsreise. Am Wohnungseingang ist das Hochzeitsdatum verewigt: 8.8.2008. Einmal habe er den Tag auch schon vergessen, sagt Erdmann.

Seine Frau Simone kann sich darüber amüsieren. Was sie nicht sagt, aber mit jedem Blick auf ihren Mann ausdrückt: Es sind andere Dinge, die im Leben zählen. Und das hat Stefan Erdmann am 21. November 2022 um 7.50 Uhr auf der A2 bewiesen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.

Von Thomas Nagel/RND