Berlin. Macht Cosco nun doch noch einen Rückzieher beim Hamburger Hafen? Auf die eingeschränkte Genehmigung des Kabinetts reagierte die chinesische Reederei am Mittwoch zurückhaltend. Das Unternehmen teilte laut dem „Spiegel“ in einem Schreiben an Investoren mit, dass die Entscheidung von deutscher Seite noch nicht vorliege und die neuen Bedingungen zunächst geprüft werden müssten. „Es gibt keine Garantie, dass die Transaktion stattfinden wird oder wann sie stattfinden kann“, so der Konzern. Eine Drohung? In Unternehmenskreisen hieß es laut dpa zuletzt, man gehe davon aus, dass die Chinesen die Kompromisslösung mittragen. Während der Gespräche mit der Bundesregierung habe es in den vergangenen Tagen auch immer eine Rückkopplung mit Cosco gegeben.
„Der Bundeskanzler hat die Regierung mit seiner Hinhaltetaktik in eine schlechte Verhandlungsposition gebracht“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Chinesen wüssten, dass er den Verkauf wolle. Dass China weiter Druck mache und versuche, noch mehr herauszuholen, sei somit nicht überraschend. „Sollte der Deal noch scheitern, wäre das zu begrüßen“, sagte Röttgen, der im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags sitzt. Auch mit der Einschränkung bekäme China mehr Einfluss und mehr Druckpotenzial in Deutschland. Das Bundeskabinett hatte am Dienstag eine sogenannte Teiluntersagung beschlossen: Demnach kann Cosco einen Anteil von bis zu 24,9 Prozent an dem Containerterminal Tollerort im Hamburger Hafen erwerben. Der Staatskonzern wollte ursprünglich einen Anteil von 35 Prozent erwerben.
Röttgen: „Falsches Signal nach innen und außen“
Auf den Antrittsbesuch von Bundeskanzler Scholz in China Anfang November blickt Röttgen kritisch: „Der Bundeskanzler tut so, als habe sich in China unter Xi Jinping nichts geändert und reist wie eh und je mit einer riesigen Wirtschaftsdelegation nach China. Das ist das falsche Signal nach innen und außen.“ Die Botschaft an deutsche Unternehmen sei, dass sie weitermachen sollen wie bisher, anstatt Abhängigkeiten systematisch zu reduzieren. Der CDU-Politiker sieht derzeit eine Verschlechterung der deutschen China-Politik: Sie trage Chinas jüngster Wandlung von einem autoritären System hin zu einer Diktatur keine Rechnung.
Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer rechnet nicht damit, dass Cosco nach der Entscheidung aus dem Deal aussteigt. „Sie bekommen ja den Fuß in die Tür, wieso sollten sie das aufgeben?“ Zudem würden sie damit den Kanzler blamieren und verärgern, der so für sie gekämpft habe, sagte der Abgeordnete dem RND. „Dass er einem offenen chinesischen Erpressungsversuch in Sachen Cosco nachgegeben hat, bringt Scholz vielleicht aktuell in Peking ein paar Punkte“, so Bütikofer. Bei anderen Verbündeten habe das Vorgehen dem Ansehen Deutschlands geschadet. Bütikofer ist überzeugt: Über kurz oder lang führten deutsche Alleingänge zu einer Schwächung der eigenen Position, auch der gegenüber China.
„Fahrlässig und kurzsichtig“
Für seine Parteikollegin Irene Mihalic wäre ein Rückzieher von Cosco „eine positive Entwicklung“. Die Minderheitsbeteiligung wäre „nur die letzte Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion dem RND.
„Sich von einem autoritären System ohne Not abhängig zu machen, finde ich fahrlässig und kurzsichtig“, sagte Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher der FPD-Bundestagsfraktion, dem RND. Sicherheitsrelevante Infrastruktur dürfe auch nicht mit der beschlossenen Minderheitsbeteiligung an ein „de facto chinesisches Staatsunternehmen“ verkauft werden. „Im Hinblick auf die Reise erwarte ich, dass Bundeskanzler Scholz eine deutlich härtere Gangart gegenüber China anstößt“, so Lechte. Bestehende Abhängigkeiten müssten abgebaut werden. Dass Scholz trotz der Warnungen dem Verkauf zugestimmt habe, sei „nicht nachvollziehbar“.
China-Experte: Aufmerksamkeit irritiert China
„Mein Eindruck ist, dass Cosco von der Wucht der öffentlichen Auseinandersetzung überrascht wurde“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und China-Experte Jens Bastian von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die mediale Aufmerksamkeit der vergangenen Tage habe die Cosco-Vertreter irritiert. Dass das Unternehmen nun zunächst die Investitionsbedingungen prüft, sei im Sinne des Vertragsrechts völlig korrekt.
Die Bundesregierung muss sich derweil mit einem sehr ähnlichen Fall beschäftigen: Sie wolle die Übernahme der Chip-Fertigung des Dortmunder Unternehmens Elmos durch den Konkurrenten Silex voraussichtlich zulassen, berichtete das „Handelsblatt“ und bezog sich auf Regierungskreise. Silex ist eine hundertprozentige Tochter eines chinesischen Elektronikkonzerns. Der Verfassungsschutz warne nach „Handelsblatt“-Informationen vor der dadurch entstehenden Abhängigkeit im Halbleitermarkt und rate von der Genehmigung ab.
Von Elena Everding/RND