Berlin. Das Erben von Häusern und Wohnungen droht ab 2023 deutlich teurer zu werden. Ein geplantes Gesetz sorgt gerade bei Immobilienbesitzerinnen und ‑besitzern für Unruhe. Viele erkundigen sich, ob sie ihr Haus noch schnell überschreiben lassen sollen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Worum geht es?
Das Kabinett hat im Oktober das Jahressteuergesetz 2022 auf den Weg gebracht, über das derzeit noch beraten wird und das ab Januar 2023 in Kraft treten soll. Hintergrund ist, dass es bestimmte Regelungen noch nicht ins Steuerrecht geschafft haben. So etwa eine neue Verordnung über die Ermittlungswerte von Immobilien, die 2021 beschlossen wurde. Die geht auf eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVG) von 2006 zurück, der zufolge Immobilien möglichst nahe an einem „gemeinen Wert“ erfasst werden sollen. Konkret geht es also darum, dass der Wert von Häusern und Wohnungen neu ermittelt werden soll.
Erben wird teurer: Was bedeutet das?
Wird der Wert einer Immobilie jetzt höher angesetzt – und dann mit dem Erbschaftssteuersatz verrechnet –, kann die anfallende Schenkungs- oder Erbschaftssteuer höher ausfallen, erklärt Rechtsanwalt Heinz-Willi Kamps. „Das Erbschaftssteuergesetz hat sich nicht geändert“, betont er dabei. Vielmehr gehe es darum, dass sich im Bewertungsgesetz einzelne Parameter ändern würden
Wo gibt es Änderungen?
Beispielsweise beim sogenannten Liegenschaftszins. Je höher der sei, umso geringer falle der Wert einer vermieteten Wohnung aus, sagt Kamps. Wurde der Liegenschaftszins von einem Gutachterausschuss nicht ermittelt, wird er jetzt mit dem Faktor 3,5 Prozent berechnet statt wie bisher mit 5 Prozent. Außerdem kann im sogenannten Sachwertverfahren der Regionalfaktor hinzukommen: Der berücksichtigt die Baukosten in einer Region. „Das wäre in München dann höher als in Emden“, sagt Kamps. Das Sachwertverfahren wird dann angewandt, wenn eine Immobilie eher untypisch ist oder es keine Vergleichsobjekte gibt.
Welche Aspekte gibt es noch?
Laut Jörg Leine, Steuerexperte bei „Finanztip“, ist der Sachwertfaktor entscheidend. „Bisher liegt er je nach Region und Immobilie bei 0,5 bis 1,5, künftig soll er 0,8 bis 1,8 betragen“, sagt er. Dieser Faktor solle die Marktlage abbilden und werde am Ende mit der Summe aus dem errechneten Restwert der Immobilie und dem Bodenwert multipliziert. Auch die Nutzungsdauer wird laut Leine von 70 auf 80 Jahre angehoben. „Dadurch fällt die Minderung des Alterswerts geringer aus und der Restwert steigt.“
Was sollten Hausbesitzer jetzt tun?
Nicht überstürzt handeln – da sind sich die beiden Experten einig. „Man sollte nie steuergetrieben agieren“, sagt Rechtsanwalt Kamps. Erst einmal sei abzuwägen, ob etwas wirtschaftlich und familiär sinnvoll sei – und dann erst steuerlich. Wer beispielsweise noch jahrelang selbst im Haus leben wolle, sollte es jetzt nicht vorschnell überschreiben. Aber: „Für den, der sowieso bald übertragen wollte, kann es sich jetzt noch lohnen.“
Was, wenn ich keinen Termin mehr bekomme?
Sollten die Termine jetzt so knapp sein, dass es mit der Überschreibung ins Grundbuch nicht mehr klappt, ist das nicht schlimm. Laut Kamps geht es darum, dass der notarielle Übertragungsvertrag – die sogenannte Auflassung – noch in diesem Jahr unterzeichnet wird und der Notar die Umschreibung ins Grundbuch beantragt.
Wie reagieren Immobilienbesitzer?
Die Verunsicherung ist groß. Viele Immobilienbesitzer suchen jetzt noch schnell nach einem Notartermin. „Es gibt viele Menschen, die das derzeit in der Presse lesen und dann zu mir kommen, um sich zu informieren“, sagt Kamps. Auch der Eigentümerverband Haus & Grund merkt das: Die Beratungsanfragen zum Thema Vererben seien stark gestiegen, sagt Präsident Kai Warnecke.
Was sind die Reaktionen?
Die geplanten Änderungen sorgen an vielen Stellen für Kritik und haben in den sozialen Netzwerken heftige Debatten über das Erben und Vererben ausgelöst. Der Eigentümerverband Haus & Grund räumt zwar ein, dass es nach dem BVG-Urteil Handlungsbedarf gegeben habe – „aber nicht so, wie geschehen“, sagt Präsident Warnecke, der gerne eine Änderung bei der Erbschaftssteuer sehen würde. „Aus unserer Sicht wäre es zum Beispiel sinnvoll, die Erbschaftsteuerlast für private Vermieter, die langfristig zu bezahlbaren Konditionen vermieten, spürbar zu reduzieren“, so Warnecke.
Laut dem Verband sind es oft Immobilien mit energetischem Sanierungsbedarf, die vererbt werden. Viele Erben würden sich zunehmend dafür entscheiden, das Haus an institutionelle Investoren zu verkaufen, weil sie die Erbschaftssteuer nicht zeitnah stemmen könnten. „Die Konsequenz ist der Ausverkauf des deutschen Immobilienbestandes. Die Bürgerinnen und Bürger werden ärmer“, so der Haus-&-Grund-Präsident. Auch sei eine Beschränkung der Besteuerung auf tatsächliche Erträge denkbar.
Von Johanna Apel/RND