Justiz ermittelt seit Jahren: Wie sich Katar den unglaublichen WM-Zuschlag sichern konnte – landeszeitung.de

Paris. Freundschaften, gerade auch geschäftliche, gehen in Frankreich oft durch den Magen. Bei gemeinsamen Essen werden Bande geknüpft und für alle Seiten vorteilhafte Vereinbarungen getroffen. Das traf wohl auch auf das Mittagessen zu, das der frühere französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy am 23. November 2010 im Élysée-Palast organisierte. Mit am Tisch saßen unter anderem Tamim bin Hamad Al Thani, damals Kronprinz und heute Emir von Katar, der Premier- und Außenminister des Golfstaats, Hamad bin Jassim Al Thani, sowie Michel Platini, zu diesem Zeitpunkt Chef der Europäischen Fußballunion Uefa.

Anfang Dezember und damit nur wenige Tage später fiel die Entscheidung für die Ausrichtung der Fußball-WM 2022 zugunsten von Katar. Eigentlich galten die USA als klarer Favorit, doch ein einflussreicher Mann änderte just nach jenem Mittagessen seine Meinung: Platini. Seitdem intensivierten sich die geschäftlichen und diplomatischen Verbindungen zwischen Frankreich und dem Emirat. Und das gilt nicht als Zufall.

Politische Einmischung durch Sarkozy?

Seit 2016 ermittelt die französische Justiz wegen Korruptionsverdacht. 2019 eröffnete sie ein Ermittlungsverfahren. Das Essen im Élysée-Palast „stellt einen entscheidenden Wendepunkt bei der Zuteilung der WM an Katar dar“, so die Pariser Sonderstaatsanwaltschaft. Nun hat ein französisches Investigativ-Reporter-Team die Vorgänge, soweit möglich, detailliert nachgezeichnet und dabei unter anderem mit dem ehemaligen Chef des Weltverbandes Fifa, Sepp Blatter, gesprochen. „Durch welches Wunder hat Katar mit der schlechtesten Bewerbung die WM bekommen?“, fragte Blatter. Seiner Meinung nach habe es sich um eine „politische Einmischung“ durch Sarkozy gehandelt, der Druck auf Platini ausübte. Das verneinte der Ex-Uefa-Boss zwar. Er gab aber zu, dass Sarkozy ihn überrumpelt habe, indem dieser die katarische Delegation mit einlud. Offenbar mit Hintergedanken.

In den Folgejahren kam es zu einem lukrativen Deal zwischen beiden Ländern mit dem Verkauf von 24 französischen Rafale-Kampfflugzeugen. Dem ehemaligen französischen Nachrichtenoffizier Alain Chouet zufolge geschah dies nicht aus militärischer Notwendigkeit, sondern Katar wollte sich mit einer Vielzahl an Investitionen „zu einem unumgänglichen Gesprächspartner“ für Paris machen.

Auch persönliche Vorteile gab es

Bei jenem Mittagessen ging es auch um den von Sarkozy verehrten Hauptstadt-Klub Paris Saint-Germain (PSG), der der US-Investmentfirma Colony Capital gehörte und in finanziellen Schwierigkeiten steckte. 2011 kaufte ihn der katarische Investmentfonds Qatar Sports Investments (QSI) für 76 Millionen Euro und gab seitdem Rekordsummen für Starspieler wie Lionel Messi, Neymar und Kylian Mbappé aus. Vom damaligen Europa-Chef von Colony Capital, Sébastien Bazin, einem Vertrauten Sarkozys, wurde just am Tag des besagten Mittagessens eine Nachricht über einen bevorstehenden „Deal“ gefunden.

Heute ist Bazin Chef des Hotel-Konzerns Accor, in dessen Verwaltungsrat Sarkozy sitzt und an dem der Staatsfonds Quatar Investment Authority zehn Prozent hält. Für die diesjährige WM hat Accor einen äußerst einträglichen Vertrag erhalten. Auch stieg das Emirat in den vergangenen Jahren bei mehreren französischen Konzernen von Lagardère über Orange bis Vivendi ein.

Auch persönliche Vorteile gab es. 2012 erhielt Michel Platinis Sohn Laurent einen Managerposten beim katarischen Sportausrüster Burrda Sport. Sophie Dion, Sarkozys damalige Sport-Beraterin, die laut Recherchen ebenfalls bei jenem Essen mit anwesend war, auch wenn sie behauptete, sich nicht mehr zu erinnern, ließ sich in der Folge einen Lehrstuhl an der Pariser Sorbonne-Universtität von einem katarischen Fonds finanzieren. Als sie später Abgeordnete wurde, saß sie der Freundschaftsgruppe mit dem Golfstaat vor.

Darüber hinaus gründete Katar 2012 in Frankreich den Bezahl-Sportsender beIN Sports als Filiale des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera, dessen Chef der katarische Geschäftsmann Nasser Al-Khelaïfi ist – er wiederum fungiert zugleich als PSG-Präsident. Die Verbindungen und Verstrickungen sind vielfältig. Ob es sich auch um illegale, da korrupte Tauschgeschäfte handelt, versucht die Justiz weiter herauszufinden, während in der nächsten Woche die WM beginnt.

Von Birgit Holzer/RND