Mutmaßlich eingesperrtes Mädchen: Beschuldigte Mutter und Großeltern schweigen – landeszeitung.de

Attendorn. Im Fall des mutmaßlich über Jahre hinweg in einem Haus festgehaltenen Mädchens im Sauerland laufen weiterhin Zeugenvernehmungen. Das sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Man versuche „irgendwie die Motivlage“ zu beleuchten, erklärte er zum Hintergrund. Das Umfeld werde befragt. Die Frage, „warum das Ganze“ passiert sei, sei für die Staatsanwaltschaft sehr wichtig. Die Beschuldigten würden zu den Vorwürfen bislang schweigen.

Am Samstag war bekannt geworden, dass ein acht Jahre altes Mädchen nahezu sein gesamtes Leben lang in einem Haus im Ort Attendorn im Sauerland festgehalten worden sein soll. Der Mutter und zwei Großeltern wird Freiheitsberaubung und Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Die Hintergründe sind noch vollkommen unklar. Hinweise auf eine Misshandlung soll es nicht geben. Jugendamt und Polizei waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft im September mit richterlichem Beschluss an dem Haus vorstellig geworden.

Oberstaatsanwalt Baron von Grotthuss erklärte, dass bereits ein Antrag gestellt sei, für das Kind, das sich nun in einer Pflegefamilie befinde, einen sogenannten gerichtlichen Ergänzungspfleger beizuordnen. „Die Eltern können ja nicht mehr für das Kind entscheiden, zumindest die Mutter jetzt nicht“, erklärte er. Dafür müsse ein Familiengericht jemanden bestimmen, um die Interessen des Mädchens wahrzunehmen. Der nächste Schritt wäre dann eine Begutachtung des Kinds. Der Vater lebe getrennt von der Familie.

Bürgermeister ist entsetzt

Bürgermeister Christian Pospichil zeigte sich unterdessen im Gespräch mit der Siegener Zeitung betroffen. Er sei „entsetzt und bekümmert“ darüber, dass es gelungen sei, das Kind so lange zu verstecken. Er macht jedoch auch deutlich, dass es aus seiner Sicht zu früh für die Schuldfrage sei: „Es ist zu früh, um hier ein Urteil zu fällen.“ Gleichzeitig bemühte er sich zu erklären, wie das Kind so lange Zeit versteckt werden konnte: „Wir werden als Gesellschaft auch hier individueller, aber auch anonymer und zur Isolation neigender.“

Zuvor habe es anonyme Hinweise auf den Verbleib des Mädchens gegeben, die jedoch nicht zu stichhaltigen Beweisen führten. Den Behörden gegenüber war 2015 angegeben worden, dass die Mutter mit dem Kind nach Italien ziehen wolle, dem Vater sei der Kontakt daraufhin nicht mehr ermöglicht worden. Bewegung sei dem Bericht zufolge erst in den Fall gekommen, als das Jugendamt weitere Hinweise von einem Ehepaar erhalten hatte. Eine Überprüfung der italienischen Polizei hatte daraufhin ergeben, dass sich das Kind nicht an der angegebenen Adresse befindet.

RND/dpa