Madrid. Am 17. Oktober 1996 startete in Moskau der Aeroflot-Flug SU 417 nach Lagos mit Zwischenlandung auf Malta. Auf der kleinen Mittelmeerinsel stieg ein Nigerianer zu, dem es gelungen war, in einem dafür präparierten Kugelschreiber eine Stichwaffe durch die Sicherheitskontrollen zu schmuggeln. Das Flugzeug war schon wieder auf Reisehöhe, als der Mann mit gezückter Waffe ins Cockpit eindrang, die Tür hinter sich verriegelte und den Piloten zum Schwenk nach Südafrika oder nach Deutschland aufforderte.
Was er nicht wusste: An Bord waren acht Polizisten, vier Österreicher und vier Deutsche, die jeweils zwei Abschiebehäftlinge begleiteten. Die Österreicher waren ausgebildete Flugsicherheitsbegleiter, auch Sky Marshals genannt. Mit einem Schlüssel des Bordtechnikers öffneten sie die Cockpit-Tür und überwältigten den Hijacker mit Pfefferspray. Der Flug landete planmäßig in der nigerianischen Metropole Lagos.
Fliegen wird immer sicherer
Meistens erleben die Flugsicherheitsbegleiter keine Abenteuer und sind auch nicht in verwirrende Plots verstrickt wie die Sky Marshals in den Hollywood-Filmen „Flightplan“ oder „Non-stop“. Ihre (gelegentliche) Anwesenheit an Bord trägt stattdessen dazu bei, dass über den Wolken in der Regel alles ruhig bleibt. Fliegen wird seit Jahrzehnten immer sicherer. Die Flight Safety Foundation führt Buch über alle Zwischenfälle seit 1942. Die ersten Flugzeugentführungen registriert sie 1948, die meisten 1969, nämlich 86, während es im Jahr 2015 zum ersten Mal wieder überhaupt keine Entführungen gab, ebenso in den Jahren 2017 und 2020. Im vergangenen Jahr waren es drei.
Die zunehmende Sicherheit ist die glückliche Kehrseite der aufwändigen Komplettdurchleuchtung von Handgepäck und Passagieren vor dem Betreten des Flugzeugs und solcher kleinen Lästigkeiten wie dem Verbot, Getränke und andere Flüssigkeiten mit an Bord zu nehmen. Die Rolle der Sky Marshals, deren Anwesenheit in der Maschine den anderen Passagieren – außer im Ernstfall – verborgen bleibt, ist die der Abschreckung: Potenzielle Terroristen oder Entführer sollen wissen, dass sie es während des Fluges mit bewaffneten Polizisten zu tun bekommen könnten.
Kaum Flugzeugentführungen in Spanien
In den USA gibt es die Sky Marshals seit 1968, in Österreich seit 1982, in Deutschland seit 2002 als Sondereinheit der Bundespolizei mit Sitz am Frankfurter Flughafen. Dieses Jahr hat auch Spanien seine Unidad Nacional de Escoltas de Seguridad en Vuelo (Nationale Flugsicherheitsbegleiter-Einheit) eingeführt. Das hat die Guardia Civil vergangene Woche am Rande der Sitzung des Internationalen Sky-Marshal-Komitees IIFSOC in Palma de Mallorca bekanntgegeben.
„Kühle Professionalität und absolute Wachsamkeit“
Bei Spanien-Flügen macht man sich gewöhnlich eher geringe Sorgen wegen einer möglichen Entführung (die letzte gab es 2007 auf einem Flug von Mauretanien nach Gran Canaria; sie endete mit der Überwältigung des Täters), aber umso mehr wegen angetrunkener oder renitenter Mitpassagiere. Um die kümmern sich die spanischen (wie alle anderen) Sky Marshals allerdings erst, wenn sie das Gefühl haben, dass sie eine Bedrohung für die Sicherheit der Menschen an Bord darstellen.
Der Einsatz der fliegenden Polizisten wird nach drei Kriterien beschlossen: „bei gefährdeten Destinationen, aufgrund aktueller Warnungen und nach einem Zufallsprinzip“, berichtet das österreichische Innenministerium. „Kühle Professionalität und absolute Wachsamkeit“ zeichnen die Flugsicherheitsbegleiter aus, schreibt eine deutsche Polizistin in der Zeitschrift „Bundespolizei kompakt“. Und: „Die Sky Marshals begreifen sich nicht als Elitepolizisten.“ Aber wer, wenn nicht sie, gehört zur Polizeielite? Die Guardia Civil beschreibt ihren Lehrplan: Selbstverteidigung, operative Interventionstaktik, Flugzeuglehre, Verhaltensanalyse, Erste Hilfe, Englisch. Und natürlich müssen sie Schießen auf engem Raum lernen, schreibt ein britischer Polizist: „mit fast chirurgischer Genauigkeit.“
Von Martin Dahms/RND