Herr Kuban, auf dem Deutschland-Tag geben Sie den Vorsitz der Jungen Union ab. Was soll von Ihrer Amtszeit in Erinnerung bleiben, abgesehen von weißen Sneakern mit Deutschland-Flaggen?
Die Sneaker sind der Ausdruck eines Lebensgefühls – Sneakerkonservatismus. Wir wollen damit ausdrücken, dass wir moderne Politik auf Basis eines konservativen Wertegerüsts machen und uns immer wieder selbst hinterfragen. Ich hoffe jedoch, dass vor allem drei Dinge im Gedächtnis bleiben: Erstens, dass die JU fest an der Seite der Ukraine steht. Schon vor Beginn des russischen Angriffskrieges haben wir mit den anderen Jugendorganisationen vor der russischen Botschaft demonstriert und später Hilfsgüter im Wert von 180.000 Euro in die Ukraine gebracht sowie für den EU-Kandidatenstatus gekämpft.
Und die anderen beiden Dinge?
Zweitens haben wir die CDU aufgebrochen, dass die Mitglieder bei wesentlichen Entscheidungen befragt werden. Aus Mitgliedern werden Mitentscheider. Und drittens haben wir den Frauenanteil in Führungspositionen deutlich gesteigert. Im JU-Vorstand von 23 auf 41 Prozent. Zudem haben wir es geschafft, dass nun sechs JUlerinnen im CDU-Bundesvorstand sind. Nichtsdestotrotz hätte ich bei der Beteiligung von Auszubildenden, jungen Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen gerne noch mehr erreicht.
Kuban: Ich wünsche mir, „dass in naher Zukunft mal wieder eine Frau an der Spitze steht“
Sie haben gegen die Frauenquote in der CDU getrommelt. Ist das nicht ein Widerspruch?
Ich habe viele Gespräche mit unseren jungen Frauen geführt. Diese haben mir gesagt, dass sie mit ihrer Leistung nach vorne kommen wollen und nicht, weil sie eine Frau sind. Über das Ziel – den Frauenanteil von knapp 35 Prozent in der JU und 26 Prozent in der CDU zu steigern – sind sich alle einig. Über den Weg streiten wir.
Zwar haben Sie den Frauenanteil im JU-Vorstand erhöht, beim Deutschland-Tag tritt aber keine Frau für den Bundesvorsitz an.
Johannes Winkel hat früh seine Kandidatur erklärt und Nordrhein-Westfalen ist ein sehr großer Verband. Ich bin überzeugt, dass er den Job gut machen wird. Dazu wird der geschäftsführende Vorstand paritätisch besetzt sein, sodass viele Frauen eine starke Stimme haben. Gleichwohl wünsche ich mir, dass in naher Zukunft mal wieder eine Frau an der Spitze steht.
Sie gelten als konservativer Krawallmacher und fielen immer wieder mit derben Sprüchen auf. Sollte der neue Vorsitzende diesem Stil nachfolgen?
Ich bin nicht so konservativ, wie ich oft dargestellt werde. Beispielsweise habe ich mich als einer der Ersten im Jahr 2015 für die Ehe für alle ausgesprochen. Von der JU wünsche mir, dass sie ihr Rückgrat behält und standhaft bleibt in Auseinandersetzungen mit CDU und CSU, auch wenn der Wind mal von vorne weht. Wir müssen auch gegen Widerstände die Position der jungen Generation einnehmen und für ihre Belange streiten. Ich bin mir sicher, dass Johannes und sein neues Team das tun werden.
Kuban: „Die Union sollte die Hand in Richtung der drei Regierungsparteien ausstrecken“
Die CDU hat ein massives Problem, Jungwählerinnen und Jungwähler zu überzeugen, wie unter anderem die Bundestagswahl 2021 gezeigt hat. Wie muss die JU den Erneuerungsprozess antreiben?
Wir müssen das Image der Union entstauben. Man sieht bei den Liberalen, dass es möglich ist, wenn man die FDP Christian Lindners mit der FDP unter Rainer Brüderle vergleicht. Die Aufgabe der JU ist es, bei der Ausarbeitung des Grundsatzprogramms junge Themen in den Fokus zu stellen. Wie wir in Zukunft unsere Arbeits- und Ausbildungsplätze sichern, was wir selbst für unsere Sicherheit bereit sind zu investieren, wie wir Europa stärken und wie unser Energiekonzept für die nächsten zehn bis 20 Jahre aussieht – das sollten wir in den Mittelpunkt der Debatte stellen.
Welche Antwort muss die Union auf die Energiekrise geben?
Die Union sollte die Hand in Richtung der drei Regierungsparteien ausstrecken und einen nationalen Energiekonsens anbieten. Union, SPD, Grüne und FDP müssen an einem Tisch zusammenkommen und Antworten auf die Energiekrise finden, die auch über die Legislaturperiode gelten. Aktuell hat jede Partei ihre Schwerpunkte: Ausbau von Windkraft im Wald, Freiflächenfotovoltaik, Atomkraft oder Fracking. Deutschland braucht allerdings eine gemeinsame Kraftanstrengung. Alle heiligen Kühe müssen auf den Tisch, und jede Partei, auch die Union, muss Abstriche machen. Dabei muss auch die Frage geklärt werden, wie wir neue Abhängigkeiten in der Welt verhindern.
Inwiefern?
Es ist richtig, dass Deutschland LNG-Terminals baut. Die langfristigen Verträge für Gaslieferungen sind aber vor allem mit US-amerikanischen Firmen geschlossen worden. Was passiert, wenn es hier zu einem Unfall kommt? Wir brauchen mehr Diversifizierung und mehr unterschiedliche Handelspartner. Daran hängt nämlich die Frage, wie die Ausbildungs- und Arbeitsplätze junger Menschen in der Industrie gesichert werden. Auch unsere eigenen konventionellen Gasvorkommen, etwa vor Borkum, sollten wir nutzen. Ein gemeinsames, bindendes Konzept von Union und Ampel ist dringend notwendig. Da muss man sich zusammenraufen.
Zurück zur Partei: Trotz der durchwachsenen Performance der Ampel verharrt die Union in den meisten Meinungsforschungsumfragen bei unter 30 Prozent. Woran liegt das?
Die CDU hat dieses Jahr zwei von vier Landtagswahlen gewonnen und ist mittlerweile stärkste Kraft in den Umfragen. Das ist ein großer Fortschritt im Vergleich zum Herbst 2021. Wir müssen trotzdem noch härter an uns arbeiten und eine neue Programmatik mit neuen authentischen Köpfen in den verschiedenen fachpolitischen Bereichen aufbauen, um Wähler zu überzeugen. Das ist ein Marathonlauf nach einigen Fehlentscheidungen in den letzten Jahren.
Ist Friedrich Merz dafür die richtige Person an der Spitze?
Friedrich Merz schafft es, die Regierung zu den richtigen Entscheidungen zu zwingen: Bei den Waffenlieferungen an die Ukraine, die 100 Milliarden nur für die Verteidigungsfähigkeit auszugeben und auch beim Bürgergeld macht er deutlich, dass die arbeitende Bevölkerung bessergestellt werden muss als die nichtarbeitende. Jeder hat seine eigene Biografie und Persönlichkeit. Heiner Geißler und Norbert Blüm hatten auch eine ganz andere Biografie als Helmut Kohl. Sie konnten aber alle drei die Lebensrealität vieler Menschen abbilden. Deswegen muss die CDU ein breites Team an der Spitze bilden. Einzelkämpfer werden schnell einsam.
Mit Persönlichkeiten und Charakteren, die Norbert Blüm und Heiner Geißler ähnlich sind?
Ja, aber in Jung.
Von Alisha Mendgen/RND