Scholz trifft Xi – Auf jede Geste kommt es an – landeszeitung.de

Peking. Bevor Olaf Scholz durch das Ehrenspalier auf dem Flughafen in Peking gehen darf, muss er erst einmal einen PCR-Test machen. Es ist der dritte Corona-Test vor Beginn seines mit Spannung erwarteten Antrittsbesuchs in China. Das Reich der Mitte verfolgt eine strenge Null-Covid-Strategie, die auch den Aufenthalt des Bundeskanzlers und seiner Wirtschaftsdelegation von zwölf Unternehmensvorständen bestimmt.

Scholz macht den Test im Regierungsflieger Konrad-Adenauer. Es ist ein Test aus Deutschland, aber die Chinesen kommen zur Kontrolle an Bord. Vier Menschen, die einen Ganzkörperschutzanzug, Schutzbrillen und Plastiküberzieher für die Schuhe tragen, eilen herbei. Die Szene wirkt skurril. 15 Minuten später schüttelt Handelsminister Wang Wentao dafür Scholz kräftig die Hand zur Begrüßung auf dem Flughafen. Das Testergebnis des Kanzlers war zum dritten Mal negativ.

Der Großteil der Delegation macht den Test in dafür eigens bereitgestellten Bussen. Sechs Teststationen sind so auf das Flughafen gerollt. Mitarbeiter der chinesischen Gesundheitsbehörde stecken die Stäbchen in die Rachen der Gäste, dann wird der Besuch ins Staatsgästehaus in der Innenstadt gebracht, vorbei an der verbotenen Stadt mit einem übergroßen Mao-Bildnis.

China beobachtet auch seine Gäste

Eigentlich ist eine zehntägige Quarantäne für alle Einreisenden vorgeschrieben, erst danach dürfen sie sich frei bewegen. Wobei Freiheit in China immer nur eingeschränkt gilt. Der Staat beobachtet nicht nur seine eigenen Bürgerinnen und Bürger mit Argusaugen und Videokameras inklusive Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit, sondern auch seine Gäste. Wer sicher gehen will, dass private Daten nicht vom Handy abgeschöpft werden, schaltet es am besten aus oder lässt es gleich zuhause.

Quarantäne bedeuten in China übrigens oft nicht eine Isolation in den eigenen vier Räumen, sondern in einer staatlich überwachten Massenunterkunft. Wie ernst der Staat seine Corona-Politik umsetzt, bekommt auch Scholz zu spüren. Der Regierungsflieger darf nicht in Peking auf ihn warten. Die Crew muss wegen der langen Flugzeiten – 22 der 33 Stunden dieses Kurztrips – wechseln und deshalb der Flieger nach Südkorea gebracht werden, wo die Kolleginnen und Kollegen warten – ohne zehn Tage in Quarantäne gewesen zu sein.

Die deutsche Delegation wird so gut es geht abgeschirmt. Eine Pressekonferenz mit Xi gibt es nicht. Nur Fotografen und Kameraleute dürfen zum Auftakt des Gespräches mit Scholz in der Großen Halle des Volkes, wo ausländische Staatsgäste empfangen und nationale Feste gefeiert werden, ein paar Bilder machen.

Später soll es aber nach der Unterredung mit Ministerpräsident Li Keqiang ein Statement vor Medien geben – und möglicherweise Fragen zugelassen werde. Vielleicht. Eine Frage pro Nation. Also zwei Fragen.

Kanzler Scholz reist nicht allein

Dabei ist doch so vieles offen und verlangt nach Antworten. Wird sich China als eines von fünf ständigen Mitgliedern im Weltsicherheitsrat angesichts gegen Russland positionieren? Präsident Wladimir Putin droht mit einem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine, gegen die er seit dem 24. Februar Krieg führen lässt – und nicht so vorankommt, wie er sich das vorgestellt hatte. Scholz hofft darauf, dass Peking klar macht: Atomare Angriffe darf es niemals mehr geben. Auch Putin solle es nicht wagen. Aber China und Russland sind Partner.

Wie wird sich China dazu verhalten, dass Scholz und seine Ampel-Koalition einseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten zurückfahren wollen? Der Kanzler hat die Vorstände großer Firmen mit dabei: von Bayer, Volkswagen, BASF, Siemens, Merck, Wacker Chemie, HiPP, Adidas, Biontech, Deutsche Bank, GeoClimaDesign und BMW. Sie kommen mit nach China, um Geschäfte und Kooperationen zu verbessern, nicht um sie zurückzufahren.

Von diesem Auftritt in Peking hängt viel für Scholz ab. Es hat Missstimmungen gegeben, dass er nach Peking gereist ist so kurz nach dem Parteitag der Kommunistischen Partei, die Xi in einem Maße gestärkt hat, dass er das Land in eine Diktatur führen kann. Und manche EU-Staaten fürchten, dass Scholz sein eigenes Ding macht und sich Wettbewerbsvorteile verschafft.

Weil die öffentlichen Äußerungen von Xi und Li sehr zurückhalten sein dürften, kommt es auf jede Geste an. Erst später, nach seinem Antrittsbesuch, dürfte klar werden, was und ob er etwas erreichen konnte. Für die Ukraine, für Europa, für Deutschland. Die chinesische Delegation, die mit der deutschen Kontakt hatte, muss übrigens danach in Quarantäne.

Von Kristina Dunz/RND