„Smash“ – Braucht es das Jugendwort 2022? – landeszeitung.de

„Smash“ ist es also, das Jugendwort des Jahres 2022. Es hat unter anderem „slay“, „wyld“, „sus“ und sogar das höchst seltsame „gommemode“ besiegt, das „unbesiegbar“ heißt, es aber ganz offenkundig nicht ist, und vom „Godmode“ herrührt, einem Spielemodus, in dem ein Gamecharakter unverwundbar wird. Der Youtuber GommeHD hatte seine „Minecraft“-Figuren dank eigenem Server stärker gemacht als sonst im Spiel üblich.

„Gommemode“ sollte kein Erwachsener in seinen Sprachschatz schrauben

Muss man safe alles gar nicht wissen, wenn man nicht selbst zur Verwendergeneration des Wortes zählt. Denn Jugendliche finden Ältere eher cringe (winden sich also vor Fremdscham), wenn diese etymologisches Wissen über ihren Generationsspezialwortschatz anschleppen. Oder das Zeug sogar in den eigenen aktiven Sprachschatz einschrauben, wo es garantiert verkantet, wo es im Satz wirkt wie eine Praline im Salat. Und – wie gesagt – „gommemode“ hat‘s ja nicht geschafft. Sondern „smash“. So forget gommemode!

„Smash“, das 43 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, kommt wie so viele Jugendwort-des-Jahres-Anwärter und Jugendwort-des-Jahres-Sieger aus der englischen Sprache. Dort steht es als Nomen für ein lautes Geräusch, Krachen und Zerschellen, als Verb steht es für Zerstörung: etwas zerschlagen, zertrümmern, zerbrechen, zerschmettern – aber auch einen Rekord „brechen“ (eine positive Verwendung, sieht man mal von der Sichtweise des bisherigen Rekordinhabers ab).

Im Tennis ist ein „smash“ ein Schmetterball, in der Popmusik ist ein „smash hit“ ein (aus dem Nichts kommender) Superhit. Einen solchen hatte die Rockband The Smashing Pumpkins (die zerplatzenden Kürbisse) zumindest in Deutschland nie. Apropos: Kürbisse werden schon mal – kommenden Montag ist es wieder so weit – an Halloween-Abenden gegen Hauswände „gesmasht“, wenn man zwar ein Fratzengemüse vor dem Haus stehen hat, der verkleideten Jugend aber die Süßigkeitenausgabe verwehrt.

Das Jugendwort „smash“ bezieht sich auf einen erhofften sexuellen Zusammenprall

Mit einer anderen Art von Zusammenprall hat die Bedeutung des Siegerwortes „smash“ zu tun. Es steht für „jemanden abschleppen“ oder – in der Folge – „Sex mit dem-/derjenigen haben“. Es stammt aus einem sexistischen Partyspiel, bei dem „smash or pass“ gefordert wird. Mögliche Sexpartner werden mit „pass“ abgelehnt, mit „smash“ angenommen. Auch hier gibt es Verb und Hauptwort. Der oder die zum Weiterziehen Befohlene ist ein „Pass“, der oder die für textilreduzierte Zweisamkeit durchaus Genehme ist ein „Smash“.

Und das findet sich angeblich im aktuellen aktiven Sprachgebrauch der Zehn- bis 20-Jährigen – der Zielgruppe, die das Jugendwort laut Verlag nutzen soll. Ob der Sieger und seine Mitbewerber allerdings tatsächlich von Jugendlichen gebraucht werden, ist die Diskussion, seit 2008 bei der ersten Wahl die „Gammelfleischparty (Ü-30-Feierlichkeit) das Rennen machte. Seit mindestens einem Dutzend Jahren ist man zumindest jenem peinlichen Wort nicht mehr begegnet.

Ein Jugendwortlexikon wurde eingestellt, der Verlag bevorzugt digitale Kommunikation

„Smash“ schaffte es in einem mehrstufigen Wahlverfahren in die Top 10 von 2022. In der Schlussabstimmung, so der Stuttgarter Langenscheidt-Verlag, lag die Stimmenzahl in einem „hohen sechsstelligen Bereich“. Auf Platz zwei landete „bodenlos“ (im Sinn von „total verrückt“, „total schlecht“ oder „total falsch“), auf Platz drei „Macher“ (kaum ein Unterschied zur allgemeinen Verwendung). Keine Altenjury war da etwa am Werk (seit 2020 gibt es überhaupt keine Jury mehr), sondern Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der unter Verdacht der Anwendung der Worte stehenden Altersgruppe. Für den Verlag war die Wahl früher ein Werbemittel für seinen Band „100 Prozent Jugendsprache“.

Worin „Spiegel“-Kulturredakteurin Carola Padtberg eine Instrumentalisierung durch die Erwachsenenwelt sah. „Jene Wörter, die von einem uncoolen Wörterbuchverlag zum coolsten ‚Wort des Jahres‘ gekürt werden, dürften für die wirklich Coolen sofort zum No-Go werden“, wetterte sie im Vorjahr in einer Kolumne. Und anlässlich der coronamelancholischen Wahl von „lost“ (verloren) zum Jugendwort 2020 zitierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ den Hamburger Linguistikprofessor Jannis Androutsopoulos: „Es gibt keinen gemeinsamen Jugendwortschatz in der ganzen Republik, sondern große lokale, soziale und subkulturelle Unterschiede.“

Man veröffentliche das Wörterbuch schon seit 2021 nicht mehr, sagt Lea Schüle, Onlinemarketing-Managerin bei Pons/Langenscheidt, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Auflagenzahl war rückläufig, wir wollten uns gerne auf die digitale Kommunikation mit der eh digital-affinen Zielgruppe fokussieren.“ Die laufe über Social Media und die Website. Online gebe es das Buch nicht, bislang sei seine digitale Veröffentlichung auch nicht geplant, „das wäre aber eine Idee für nächstes Jahr“.

„Cringe“ und „safe“ haben es auch medial geschafft – „smash“ noch nicht

Manches Jugendwort schlüpft in den Alltag der Jugend, manches andere ist noch nicht in aller Munde. „Cringe“, das schon einige Jahre zuvor kursierende Siegerwort des Vorjahres, und „safe“ sind zum Beispiel – wohin man auch hört – im Redefluss junger Menschen anzutreffen. Und haben – ein Erfolgsindiz – auch medial den Durchbruch geschafft. Die jugendlichen Supermarktangestellten in der zweiten Staffel von Christian Ulmens Comedyserie „Die Discounter“, die im November bei Amazon Prime Video startet, sind zumindest zum Teil regelmäßige „safe“- und „cringe“-User. Und wirken echt dabei.

„Smash“ dagegen führen sie bislang nicht im Munde, auch wenn es in der Serie immer wieder um Sex und Abschleppen geht. Vielleicht startet das Wort noch durch, vielleicht ist es mit ihm aber auch wie mit jener Sorte Smash-Hits, die die Popcharts zwar toppen, an die sich ein Jahr später aber keine Musikfanseele mehr erinnert.

Frauenbilder auf dem Handy – „smash“ oder „pass“?

Nachfragen in der wirklichen Welt ergeben bezüglich „smash“ kein einheitliches Bild, aber Anhaltspunkte: Der 19-jährige Berliner Henrik hat „smash“ selbst nicht im Gebrauch, erinnert sich aber an 15- und 16-Jährige, die in seinem Sportverein in Spielpausen auf ihren Handys einander Bilder von Frauen zeigten und jedes Mal die Frage „,smash‘ oder ‚pass‘?“ stellten. Ist das Siegerwort 2022 milieubezogen? Oder innerhalb der Jugend eher unter Jüngeren verbreitet? Oder ist es geschlechtsspezifisch – also vornehmlich bei männlichen Jugendlichen anzutreffen?

„Ich kenne das nicht und würde es auch nie aussprechen“, sagt jedenfalls Emma, Jurastudentin im ersten Semester an der Berliner Humboldt-Universität, auf RND-Anfrage, „Und ich fände das echt cringe, wenn meine Freundinnen smash verwenden würden.“

Von Matthias Halbig/RND