Berlin. Nach der Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter durch den US-amerikanischen Milliardär Elon Musk wachsen in den USA und Europa die Bedenken – und zwar sowohl die politischen als auch die ökonomischen. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Milliardäre, die sich Informationsplattformen einfach so kaufen, um dort ihre eigene politische Agenda voranzutreiben, sind eine Gefahr für die Meinungsfreiheit – sei es in Print oder digital.“
Die deutschen und europäischen Aufsichtsbehörden sollten nun „einen genauen Blick darauf werfen, dass diese monopolitisierte Medienmacht nicht gegen Demokratie und Meinungsvielfalt missbraucht wird“. Bei der notwendigen Widerstandsfähigkeit kämen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem pluralen Zeitungsmarkt eine besondere Bedeutung zu, so von Notz.
Die ebenfalls den Grünen angehörende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Digitales, Tabea Rößner, sagte dem RND, sie sei „schon lange auf Mastodon“, einer alternativen Plattform. Ihr falle es deshalb „nicht schwer, die Aktivitäten dort zu intensivieren“.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte: „Wenn der neue Inhaber den Kurznachrichtendienst Twitter mit einer Wahlkampfmaschine verwechselt und ihn zu direkter und indirekter Einflussnahme nutzt, spätestens dann muss man sich bei uns Gedanken machen über Kontrolle, Plattformaufsicht und unabhängige Beschwerdestellen.“ Er forderte: „Die digitale Welt darf kein rechtsfreier Raum werden und muss sowohl diskriminierungsfrei sein als auch sich wirksam um Hass, Hetze und Fake News kümmern. Letztlich wäre das Haftung des Inhabers für die Verbreitung von inkriminierten Nachrichten.“
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat sich von Twitter bereits verabschiedet, so wie zuvor SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, und den Verantwortlichen dort vorgeworfen, nichts gegen Fakeprofile zu tun und im Umgang mit gemeldeten strafbaren Inhalten zu nachlässig zu sein. Die Übernahme durch Musk werde die Plattform ganz sicher nicht zu einem gemeinnützigen Unternehmen machen, teilte sie mit.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am Freitag, Twitter trage eine große Verantwortung. Und man werde in den nächsten Monaten die möglichen Veränderungen beobachten, um dann eigene Schlüsse zu ziehen – wozu gehöre, den Dienst unter Umständen zu verlassen. Hebestreit betonte: „Damit möchte ich nicht drohen oder das in Aussicht stellen, sondern sagen, diese Fragen schließen sich natürlich an.“
EU-Gesetz gilt weiterhin
Musk, Chef des seit Kurzem auch in Brandenburg ansässigen Automobilkonzerns Tesla, hatte den Abschluss der Twitter-Übernahme für dem Vernehmen nach über 40 Milliarden US-Dollar am Freitag nach längerem Hin und Her angedeutet. „Der Vogel ist befreit“, schrieb er ohne weitere Details. Das Twitter-Logo ist ein blauer Vogel – und Musk hatte stets unterstrichen, die Plattform von aus seiner Sicht zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit befreien zu wollen. Später hatte er dies allerdings relativiert mit dem Hinweis, Twitter dürfe nicht zu einer „gesetzesfreien Höllenlandschaft“ werden. EU-Industriekommissar Thierry Breton sagte jetzt: „In Europa wird der Vogel nach unseren Regeln fliegen.“ Das EU-Gesetz über digitale Dienste sieht vor, dass Plattformen illegale Inhalte schneller entfernen.
Sorgen gibt es auch im Unternehmen selbst. Die „Washington Post“ berichtete, der Unternehmer habe potenziellen Investoren gesagt, er wolle drei Viertel der 7500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Konzernchef Parag Agrawal, Finanzvorstand Ned Segal und die leitende Rechtsberaterin Vijaya Gadde mussten schon gehen. Gadde wird der Ausschluss des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump von Twitter zugeschrieben. Längst gibt es Spekulationen, Musk könne ihn wieder zulassen.
Tatsächlich hat sich Musk zu seinen Plänen für die Zukunft des Unternehmens ebenso mehrfach widersprüchlich geäußert wie zu seiner Haltung in Fragen der Meinungsfreiheit. Der Grünen-Politiker von Notz sagte denn auch, man müsse nun erst mal abwarten, ob sich der Milliardär mit der Übernahme finanziell „nicht verhebt“. Es sei jedenfalls nicht garantiert, dass daraus ein ökonomisches Erfolgsprojekt werde.
Zuletzt war Meta, der von Mark Zuckerberg geführte und deutlich größere Mutterkonzern von Facebook, weiter in die Krise gerutscht. Die Umsätze gehen zurück – bei gleichzeitig hohem Investitionsbedarf. Die Aktie brach um 25 Prozent ein. Ungeachtet dessen bleibt die Sorge, dass sich global betrachtet zu viel Meinungsmacht in den Händen sehr weniger und sehr reicher Menschen konzentriert.
Von Markus Decker/RND