Verbrechen und Wiedergutmachung: Spanisches Museum gibt Nazi-Raubkunst zurück – landeszeitung.de

Madrid. Als Xosé Manuel Rey erfuhr, dass in seinem Museum Raubkunst hängt, sagte er: „Jetzt ist der Moment, aus einem Problem eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu machen.“ Der Direktor des Museo de Pontevedra hat Wort gehalten. Knapp zwei Jahre nach seiner optimistischen Ankündigung stehen die Gemälde zum Abtransport bereit, auch wenn zurzeit niemand in dem kleinen Museum im nordwestspanischen Galicien verrät, wann die Bilder auf Reisen gehen sollen. Noch ein paar andere Fragen bleiben vorerst unbeantwortet. Aber das Wesentliche ist geklärt: Spanien wird sich zum ersten Mal von Nazi-Raubkunst trennen.

Eine ergreifende Mater Dolorosa und ein Ecce Homo, lange Rogier van der Weyden, dann Dierick Bouts und nun der Werkstatt seines Sohnes Aelbert Bouts zugeschrieben, kehren zurück nach Polen, wo sie, wie Tausende andere Werke, von den Nazis geraubt worden waren. Dass sie in Spanien landeten, ist ungewöhnlich. Nur von einem weiteren Gemälde in Spanien, einem Camille Pissarro in der Madrider Thyssen-Sammlung, ist gewiss, dass es Nazi-Raubkunst ist. Die jetzige Besitzerin, die Fundación Colección Thyssen-Bornemisza, kann sich zu einer Rückgabe nicht durchringen.

In Galicien war man von Beginn an großherziger: „Es tut weh, dass wir uns von diesen Bildern trennen müssen“, sagte der Vizepräsident der Provinzverwaltung von Pontevedra, César Mosquera, bei der Eröffnung einer Sonderausstellung zum Abschied der beiden Bouts Anfang letzten Jahres. „Aber es ist eine Freude, mitzuhelfen, die Nazi-Plünderung wiedergutzumachen.“

Gräfin Izabella Dzialynska von Nazis beraubt

Es war zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020, als sich eine Abteilung des polnischen Kulturministeriums mit dem Museo de Pontevedra in Kontakt setzte, um es über die mögliche Herkunft der Bouts-Gemälde aus der Privatsammlung der Gräfin Izabella Dzialynska im Schloss Goluchów (auf halbem Weg zwischen Posen und Lódz) zu informieren. Ein Großneffe der Gräfin, Adam Zamoyski, erzählte der spanischen Zeitung „ABC“ Anfang letzten Jahres, dass seine Großtante noch vor dem Einmarsch der Deutschen 1939 in Polen die wertvollsten Stücke ihrer Sammlung hinter einer doppelten Wand im Keller ihres Hauses in Warschau versteckt hatte, darunter die beiden Gemälde. Als sich die Deutschen des Schlosses Goluchów bemächtigten, „fiel ihnen auf, dass Kunstwerke fehlten“, berichtete der Erbe. Sie bedrohten die Gräfin Dzialynska – anders als viele andere Nazi-Raubopfer keine Jüdin – mit dem KZ, worauf sie das Versteck ihrer Sammlung preisgab. Die Deutschen nahmen alles an sich.

Was mit den Sammlungsstücken – Werken aus dem alten Ägypten, Griechenland, Rom und dem mittelalterlich-neuzeitlichen Europa – danach geschah, ist ungewiss. Einzelne Teile tauchten nach dem Krieg in den USA, in Deutschland und in der Schweiz auf. Beim Durchkämmen des Netzes stießen die polnischen Behörden schließlich auf die Bouts-Gemälde in Pontevedra. Eine wissenschaftliche Studie überzeugte das spanische Museum, dass die Mater Dolorosa und der Ecce Homo aus der Sammlung Dzialynskas stammten.

Ein galicischer Industrieller und Kunstsammler, José Fernández López, hatte sie erworben, nachdem sie 1971 in Barcelona und zwei Jahre später in Madrid zum Verkauf angeboten wurden – wie sie dort gelandet waren, ist ungeklärt. Nach dem Tod des Geschäftsmannes 1986 erwarb das Museo de Pontevedra dessen Sammlung. „Ich bin sicher, dass es die Gemälde in gutem Glauben gekauft hat“, sagte Adam Zamoyski im Interview mit „ABC“.

Gemälde gehen zunächst nicht an die legitimen Erben

Die Rückgabe sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Spanien unterzeichnete 1998 die Washingtoner Erklärung über eine „gerechte und faire Lösung“ für den Umgang mit Nazi-Raubkunst. Doch einerseits ist die Erklärung rechtlich nicht bindend, und andererseits bieten die Wörter „gerecht und fair“ Interpretationsspielraum. Das Thyssen-Bornemisza, eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt, will sich jedenfalls nicht von seinem Pissarro trennen, dessen Erwerb durch das Madrider Museum ebenso wenig rechtlich zu beanstanden ist wie der Erwerb der Bouts-Gemälde durch das Museo de Pontevedra.

Der höhere moralische Standard des Provinzmuseums hat einen überraschenden Haken: Die Bilder sollen nicht an die legitimen Erben – darunter Adam Zamoyski – gehen, sondern an Polen. „Alle Rechtsgutachten stimmen darin überein, dass das korrekte Verfahren darin besteht, die Gemälde an den polnischen Staat zurückzugeben“, der dann über die mögliche Übergabe an die Erben entscheiden solle, schreibt das Museo de Pontevedra. Die Bitte um Einsicht in diese Gutachten lässt das Museum leider unbeantwortet.

Von Martin Dahms/RND