Vor der Landtagswahl: Ist Innenministerin Faeser auf dem Absprung nach Hessen? – landeszeitung.de

Berlin. Andreas Roßkopf zeigt sich skeptisch. Und da ist er nicht der Einzige. „Wir hören, dass es an der Spitze des Ministeriums einen Wechsel geben könnte“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich der Bundespolizei. „Und wir würden das als schwierig ansehen. Denn wir haben mit der Ministerin bestimmte Dinge auf den Weg gebracht. Deshalb wäre es schade, wenn wir uns nach eineinhalb Jahren auf eine neue Führung einstellen müssten.“ Immerhin sei die Bundespolizei eine Behörde mit knapp 55.000 Mitarbeitern, fügt Roßkopf hinzu. „Da bedarf es auch in der politischen Führung einer gewissen Kontinuität und Verläss­lichkeit.“

Der Gewerkschafter spricht über Nancy Faeser, die 52‑jährige Sozialdemokratin, die vor knapp einem Jahr überraschend zur Bundesministerin des Inneren und für Heimat berufen wurde und die nun, so hört man es immer lauter aus der Landes- und der Bundes‑SPD, Spitzenkandidatin bei der hessischen Landtagswahl im Herbst nächsten Jahres werden soll. Die Entscheidung falle im Februar, heißt es. Sie hätte Konsequenzen für Wiesbaden ebenso wie für Berlin.

Verlockung und Gefahr

In Hessen suchen sie händeringend nach jemandem, der es mit Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und seinem Stellvertreter Tarek Al-Wazir von den Grünen aufnehmen kann. Faeser, die im Taunus geboren wurde und von 2003 bis 2021 Landtagsabgeordnete war, gilt als bestens geeignet. Sie kennt das Land und seine Probleme, verfügt über ein joviales Charisma und seit einem Jahr nun auch über etwas überregionale Strahlkraft. Manche sagen, Faeser sei 2021 überhaupt nur Bundesinnenministerin geworden, um sie 2023 noch aussichtsreicher ins Landesrennen schicken zu können.

In der letzten Umfrage von Infratest Dimap rangiert die CDU mit 27 Prozent vor SPD und Grünen mit jeweils 22 Prozent sowie der FDP mit 6 Prozent. Lägen die Sozialdemokraten vor den Grünen, dann wäre eine Ampel möglich.

Das Problem besteht nun darin, dass Faeser auch als einzige aussichtsreiche Kandidatin gilt. Überdies ist die Bundesinnenministerin in Hessen Vorsitzende der Landespartei und somit unter einem doppelten Zugzwang. Würde sie die Landtagswahl im Falle einer Kandidatur gewinnen, dann wäre sie neben Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, Franziska Giffey in Berlin, Anke Rehlinger im Saarland und Manuela Schwesig in Mecklen­burg-Vorpommern die fünfte sozialdemokratische Regierungschefin – vorausgesetzt, Giffey könnte sich nach der Neuwahl des Berliner Abgeordnetenhauses als Regierende Bürgermeisterin behaupten. Damit stünde die SPD als Frauenpartei schlechthin da.

Allerdings hat Faeser eben dieses Ministeramt inne und ist deshalb nicht so frei, wie sie vermutlich gern wäre. Aus Grünen-Kreisen hört man, sowohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) als auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hätten ihr signalisiert, dass sie im Falle einer Kandidatur in Hessen das Ministeramt aufgeben müsse. In der Ökopartei sieht man das, nicht ganz uneigennützig, genauso. Bei einer Niederlage müsste die Juristin also dorthin zurückkehren, wo sie bis zum Dezember 2021 war: auf den Stuhl der Fraktionschefin im Hessischen Landtag. Mit anderen Worten: In einer Kandidatur läge eine große Verlockung – und eine große Gefahr.

Von Notz warnt

Dass Faeser als Bundesinnenministerin in den Landtagswahlkampf zieht, halten viele Beobachter für ausgeschlossen. Denn das Bundesinnenministerium ist ein zentrales Ressort. Und es ist seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wichtiger denn je, weil die innere Sicherheit, der Schutz kritischer Infrastrukturen sowie die Flüchtlings- und Migrationspolitik gleichermaßen im Fokus stehen. Würde Faeser doppelgleisig fahren wollen, würde sie bis zum Wahltag auch doppelt attackiert, nicht zuletzt aus der eigenen Koalition. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Manuela Rottmann (Grüne), ist im Übrigen gerade erst zurückgetreten, weil sie sich im März für das Amt der Oberbürgermeisterin in Frankfurt am Mai bewirbt.

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, äußert sich denn auch warnend. Er sagt: „Wer das Bundesinnenministerium in diesen schwierigen Zeiten leitet, braucht alle Kraft und Konzentration für die genau mit diesem Amt verbundenen Aufgaben.“

Von Markus Decker/RND