Paris. In der Bar gibt es einen kollektiven Aufschrei. Ein paar Fußball-Fans vor dem Fernsehbildschirm, die ein WM-Spiel ihrer Nationalmannschaft verfolgen, springen empört auf. Ein Tor ist nicht gefallen, es gab auch keine umstrittene Schiedsrichter-Entscheidung. Doch der Bildschirm ist plötzlich schwarz. „Das kann doch nicht wahr sein“, ruft ein Mann mit einem Glas Bier vor sich. Was, wenn gerade jetzt einer der „Bleus“ ein Tor schießt?
Es handelt sich nicht um einen technischen Defekt – sondern eine Sabotage-Aktion von Dan Geiselhart, Klima-Aktivist in Paris und Gründer des Magazins „Climax“. „Man fühlt sich total stark, man kann plötzlich alles ausschalten“, sagt er schmunzelnd gegenüber einer Video-Journalistin, die ihn für eine Reportage auf der Internetseite der Zeitung „Le Parisien“ in die Bar im 18. Bezirk von Paris begleitet hat, in der Geiselhart kurzzeitig die Stimmung in den Keller fallen lässt.
In der Hand hat der junge Mann einen kleinen Schalter mit etlichen Ösen. Es handelt sich um ein sogenanntes TV-B-Gone, das der US-amerikanische Hacker Mitch Altman in den 2000er Jahren erfunden hat. Es erkennt die Signale von bis zu 160 verschiedenen Fernseh-Marken und kann die Geräte auf eine Entfernung von bis zu 45 Metern ausschalten.
„Es geht nicht darum, den Leuten den Spaß zu nehmen“
Für Geiselhart handelt es sich um „friedlichen Widerstand“ gegen die Weltmeisterschaft in Katar, die in seinen Augen mit etlichen Grundsätzen bricht – ob hinsichtlich von Menschenrechten oder des Klimaschutzes. Damit seine Idee weitere Kreise zieht, hat der Aktivist einen Workshop organisiert, bei dem Interessierte ebenfalls ihre eigenen Ausschalter herstellen konnten.
„Es geht nicht darum, den Leuten den Spaß zu nehmen.“ Er sei einfach eine Art männliche Amélie Poulain, wie im Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“, die sich in einer Szene an ihrem Nachbarn rächt, indem sie mitten in einem Fußball-Match an seiner Antenne zieht und es unterbricht. Die Teilnehmer des Workshops sagten, sie wollten gegen die Bedingungen dieser WM in Katar protestieren – ohne anderen zu schaden. „Ich werde es vielleicht einmal ausprobieren, um zu sehen, ob es funktioniert, aber es ist nicht sehr cool für den Barbesitzer, der nicht für all das verantwortlich ist“, sagte Nicolas gegenüber der Journalistin.
Es gebe auch die Möglichkeit, sich bei den Fußballfans zu erkennen zu geben und die Diskussion mit ihnen zu suchen, sagt Dan Geiselhart. „Und wer das Gerät ausschalten kann, kann es auch wieder einschalten. Das ist alles nicht dramatisch.“ Und wer wolle, könne auch erst einmal in der Werbung anfangen. Die wolle eh keiner sehen.
Von Birgit Holzer/RND