Berlin. Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst ist im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen. Das geht aus bislang unveröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegen.
So hatten im Jahr 2021 insgesamt 489.075 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst einen befristeten Arbeitsvertrag, und damit fast 10 Prozent mehr als im Vorjahr. 2020 hatte die Zahl der befristet Beschäftigten im öffentlichen Dienst noch bei 445.405 gelegen.
Der Anteil der befristet Beschäftigten stieg binnen eines Jahres von 14,5 auf 15,3 Prozent. Der Trend zur befristeten Beschäftigung im öffentlichen Dienst verstetigt sich damit immer mehr. 2004 hatte die Befristungsquote noch bei 9,8 Prozent gelegen.
Vor allem Bundesländer stellen befristet an
Innerhalb des öffentlichen Dienstes sind es zuvorderst die Bundesländer, die auf befristete Anstellungsverhältnisse setzen. Die Befristungsquote im Zuständigkeitsbereich der Länder liegt bei 28,2 Prozent. Der Bund folgt mit deutlichem Abstand (13,8 Prozent), die Kommunen mit 7,1 Prozent, Sozialversicherungen und Bundesagentur für Arbeit mit 5,8 Prozent.
Branchenübergreifend hatten in Deutschland im vergangenen Jahr 2,6 Millionen Menschen einen befristeten Arbeitsvertrag. Grundsätzlich sind mehr Frauen als Männer betroffen. Vor allem Neueinstellung erfolgen mit Befristung. 2021 war das in Deutschland bei etwa jedem dritten neuen Arbeitsvertrag der Fall.
Im öffentlichen Dienst kommen befristete Neueinstellung deutlich häufiger vor als in der Privatwirtschaft. Der Staat stellt rund zwei von drei Beschäftigten (59,5 Prozent) befristet ein, in der Wirtschaft liegt die Befristungsquote bei Neueinstellungen mit 31 Prozent deutlich niedriger.
Schon heute fehlt Personal im öffentlichen Dienst
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stellt dem Arbeitgeber Staat deshalb ein schlechtes Zeugnis aus. „Immer noch fehlt im öffentlichen Dienst allzu oft eine vorausschauende Personalplanung. Anders lässt sich der sprunghafte Anstieg bei den Befristungen nicht deuten“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack dem RND.
Der Staat müsse dringend gegensteuern, wenn er auch künftig Personal für öffentliche Aufgaben gewinnen wolle, so Hannack weiter. „Schon heute fehlt der öffentlichen Hand in vielen Bereichen Personal. Und fast 30 Prozent der dort Beschäftigten werden in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen“, warnte die Gewerkschafterin.
DGB-Vorsitzender: „Skandalöse Befristungspraxis“
Befristungen und dürftig ausgestattete Dienststellen seien kein Ausweis attraktiver Arbeitsbedingungen, sondern erschwerten es, neue und gut ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen. „Die skandalöse Befristungspraxis untergräbt die Attraktivität des öffentlichen Dienstes. Die Möglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung und zur sogenannten Haushaltsmittelbefristung müssen endlich weg – wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist“, forderte Hannack.
Befristet zur Verfügung stehende Haushaltsmittel gelten bislang als zulässiger Sachgrund für einen befristeten Arbeitsvertrag in dem entsprechenden Bereich, selbst wenn absehbar ist, dass auch künftig Mittel zur Verfügung stehen werden, etwa weil eine Aufgabe unverzichtbar ist. „Im öffentlichen Dienst wirkt sich die Haushaltsmittelbefristung besonders negativ aus“, erklärte dazu Hannack. „Haushaltsmittel im öffentlichen Bereich sind durch die Jährlichkeit der öffentlichen Haushalte immer begrenzt. Das ist jedoch kein Grund, auch die Arbeitsverhältnisse zu befristen“, so die DGB-Vizechefin.
Von Andreas Niesmann/RND